Aufruf zur Demonstration gegen Freihandelsabkommen in Hannover am 23.4.2016
Irgendwo in den Hinterzimmern von Brüssel und Washington, wo sich Spitzenpolitiker, Lobbyisten und Vorstandsvorsitzende die Klinke in die Hand drücken, wird ein Abkommen verhandelt, dessen Inhalt geheimer als geheim scheint. Denn der Öffentlichkeit werden partout keine Passagen aus dem 1000seitigen Entwurf preisgegeben. PolitikerInnen, die das Dokument einsehen wollen, müssen Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben.
Das klingt so, als würde es da was zu verbergen geben… Gibt es auch!
Freihandelsabkommen sind an Dreistigkeit kaum zu überbietende Angriffe auf die verbliebenen sozialstaatlichen Errungenschaften. Sie wollen all jene Güter und Dienstleistungen schleifen, die bislang vor den zweifelhaften Segnungen der Marktwirtschaft einigermaßen geschützt blieben.
Aber was bedeuten sie konkret?
„Investitionsschutz und indirekte Enteignung“
Das oberste Credo von Freihandelsabkommen ist der Investitionsschutz. Das heißt, Konzerne haben bestimmte Erwartungen, wie hoch Gewinne auf ihre Investitionen ausfallen sollen. Natürlich können diese Vorstellungen nicht immer realisiert werden. Keine Besonderheit in der krisenanfälligen Marktwirtschaft. In der Sprache der Betriebswirtschaft wird das unternehmerisches Risiko genannt.
In erster Linie stellen Änderungen in der Gesetzgebung für mehr Rechte von Lohnabhängigen, Umweltschutzauflagen und höhere Steuern ein sog. „Investitionsrisiko“ dar. Konzerne wittern dahinter „indirekte Enteignung“.
Im Erfinden von Gründen, warum sie in ihrem Profitstreben diskriminiert würden, sind Unternehmen dabei sehr kreativ. Mal sind es die Umweltstandards, die ein massives Abholzen von Regenwäldern zur Ölförderung untersagen. Mal ist es die Erhöhung des Mindestlohns, der einem internationalen Konzern einfach nicht zuzumuten sei. Auch Warnhinweise auf Zigarettenschachteln gerieren da schnell zu illegitimen Handelshindernissen. Ein anderes Mal ist es die staatliche Deckelung des Wasserpreises, der einen Zugang auch für ärmere Menschen ermöglichen soll, den Konzerne als „indirekte Enteignung“ geißeln.
Für all diese Fälle diktieren Unternehmen heute ihre Selbstmitleidsparagraphen in die Freihandelsabkommen! Und ein privates Schiedsgericht entscheidet dann, wie viele Millionen oder Milliarden Euro an Steuergeldern an das jammerige Unternehmen fließen sollen. Selbstverständlich ohne öffentliche Kontrolle oder Revisionsmöglichkeiten.
All das klingt absurd, ist aber gängige Praxis in der Welt der Freihandelsabkommen. Nicht erst seit TTIP und CETA.
Repräsentativer Absolutismus
Auf den Punkt gebracht: Alle arbeits-, sozial- und mietrechtlichen Schutzbestimmungen sowie Umweltstandards stehen heute mit Abkommen wie TTIP, CETA & Co. auf der Kippe.
Klar ist auch, wie sich Regierungen entscheiden werden, wenn sie für jedes Gesetz zum Schutze der MieterInnen, ArbeitnehmerInnen, RentnerInnen usw. Milliarden an Erpressergeld an Konzerne zahlen müssten. Doch damit Regierungen erst gar nicht auf Ideen dieser Art kommen, soll nach TTIP ein weiterer Mechanismus der absoluten Herrschaft des Kapitals etabliert werden: Gesetze, die Investitionen von Konzernen beeinträchtigen könnten, müssen erst von Expertengremien abgesegnet werden. Diese sind natürlich mit Unternehmensvertretern besetzt.
Lobbyismus ist nichts Neues in der deutschen und europäischen Politik. Dass er so unverhüllt auftritt, dagegen schon.
…und immer wieder Privatisierungen
Natürlich kommt ein Freihandelsabkommen, das seinem Namen gerecht werden will, nicht am Lieblingsthema neoliberaler Politik schlechthin vorbei: Privatisierungen. Mit TTIP stehen die letzten öffentlichen Dienstleistungen und Sozialversicherungen, die noch nicht oder nur teilweise der marktwirtschaftlichen Konkurrenz ausgesetzt sind, zum Verkauf. Gleichzeitig sollen TTIP & Co. festschreiben, dass Gesetze, die dem widersprechen, rückgängig gemacht werden müssen und neue gar nicht erst verabschiedet werden können. Das ganze wird obendrein mit ewigen Vertragslaufzeiten zementiert. Privatisierungen sollen somit nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Doch was Privatisierungen für Beschäftigte und Betroffene bedeuten, wissen wir mittlerweile nur zu gut…
Widerstand lohnt sich
Freihandelsabkommen, ob nun TTIP, CETA oder eins der anderen 130 Abkommen, die Deutschland mit verschiedensten Staaten geschlossen hat, sind die freiwillige Selbstentmachtung der Politik zugunsten großer Konzerne, um ihnen die hemmungslose Ausbeutung von Mensch und Natur zu ermöglichen. Eine Wirtschaft, die sich an den Bedürfnissen der Menschen, gerechter Produktion und nachhaltigem Konsum orientiert, kann es so nicht geben. Doch schon einmal hat der massive internationale Widerstand der Bevölkerung ein nahezu deckungsgleiches Abkommen verhindert. 1998 scheiterte das Multilateral Agreement on Investment (MAI) nach starken öffentlichen Protesten. Dies gilt es zu wiederholen!
Über Grenzen hinweg
Die „besorgten BürgerInnen“ der rechten Bewegungen und Parteien von Pegida über AfD bis NPD bedienen in ihrer TTIP-Kritik vor allem antiamerikanische Klischees und fordern die Stärkung „heimischer Unternehmen“. Gegen Freihandelsabkommen hilft aber keine Politik der Abschottung, keine nationale Rückbesinnung auf konservative Werte. Dass Deutschland und die EU die gleichen Ziele verfolgen und ihre Freihandelsabkommen mit den Ländern des Südens gnadenlos durchsetzten, ist ihnen egal. Den konservativen Kleingeistern geht es nur um ihre eigenen Pfründe.
Dem setzten wir unsere grenzenlose Solidarität entgegen.
In den USA stellen sich ausnahmslos alle Gewerkschaften gegen TTIP – aus den gleichen Ängsten um den Rest ihrer spärlichen Rechte wie die Lohnabhängigen in Europa. Das sind unsere Bündnispartnerinnen gegen TTIP! Eine Welt ohne die Zurichtung auf (grenzenlose) Marktwirtschaft schaffen wir nur mit grenzenlosem Widerstand. Das eigentliche Problem ist schließlich nicht TTIP oder ein anderes Freihandelsabkommen. Das grundlegende Problem ist die profitorientierte Marktwirtschaft, der Kapitalismus.
Think global – act local: Unser Widerstand fängt bei TTIP erst an!
Kommt zur Demonstration gegen TTIP und CETA!
Samstag. 23. April 2016 – 12 Uhr – Opernplatz – Hannover
Wir sehen uns bei den FAU-Fahnen.