Anlässlich einer Deutschlandreise russischer AktivistInnen der unabhängigen und kämpferischen Fahrerorganisation OPR sendet die Vollversammlung des Allgemeinen Syndikats der FAU Hannover solidarische Grüße und macht an dieser Stelle auf Veranstaltungen in Norddeutschland und Berlin aufmerksam. Im Frühjahr 2016 hatten die LKW-FahrerInnen durch einen Streik gegen die Einführung einer Maut, die ihre Existenz bedroht, auf sich aufmerksam gemacht. Wir dokumentieren hier das Solidaritätsschreiben:
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
wie wir erfahren haben, befindet ihr euch momentan auf einer Deutschlandreise, um den Kampf der russischen Trucker gegen die ungerechte Maut „Platon“ bekannt zu machen. Auf diesem Wege wollen wir euch daher weiterhin viel Mut, Kraft und Durchhaltevermögen für euren Kampf aussprechen. Wir sind beeindruckt von eurer Streikbewegung im Frühjahr 2016 und begrüßen die Gründung der OPR, um für eure ökonomischen und sozialen Rechte einzustehen. Zutiefst verurteilen wir die Einführung der Maut, die nicht der russischen Gesellschaft zugute kommt, sondern direkt in die Tasche eines privaten Unternehmers fließt und zur Monopolisierung in der LKW-Branche führt. Doch wir sind überzeugt, dass euer Kampf zur Verteidigung eures Einkommens ein wichtiger Schritt gegen die Neoliberalisierung aller wirtschaftlichen und sozialen Bereiche ist, die nicht nur in Russland um sich greift. Allen von Repression betroffenen LKW-Fahrern und ihren Familien wünschen wir Glück, Gesundheit und die Kraft, der Willkür der staatlichen Behörden weiterhin eure Solidarität entgegen zu setzen.
Wir freuen uns, dass ihr auch nach Ende des Streiks weiterhin eure Ziele verfolgt, um dem drohenden Jobverlust etwas entgegen zu setzen. Deshalb wünschen wir auch eurer jungen Organisation, der OPR, einen erfolgreichen Start. In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Entsolidarisierung seid ihr ein Vorbild für gelebte Solidarität und gegenseitige Hilfe. Für den grenzüberschreitenden Austausch zwischen selbstorganisierten, unabhängigen Gewerkschaften stehen wir daher jederzeit zur Verfügung.
Haltet durch!
Mit solidarischen Grüßen,
das Allgemeine Syndikat der FAU Hannover
Zum Hintergrund
Die Transportbranche stellt das Rückgrat der Wirtschaft dar. Ein Stocken in diesem Bereich hätte in Zeiten der Just-in-time-Produktion Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. Mit der Liberalisierung der Branche befinden sich die Transportpreise, ebenso wie die Arbeitsbedingungen, im freien Fall. Die deutsche Wirtschaft profitiert davon, dass die FahrerInnen des internationalen Gewerbes gegeneinander ausgespielt werden und osteuropäische FahrerInnen zu Hungerlöhnen in Westeuropa arbeiten. Es gibt wenig Solidarität und wenig Organisierung unter den TruckerInnen.
Umso erstaunlicher ist es, dass es auch ohne Organisationsstrukturen spontane Arbeitskämpfe gab. 2016 kam es zu einem landesweiten wilden Streik der FahrerInnen in Belgien. Und bereits Ende November 2015 legten die FahrerInnen in Russland spontan ihre Arbeit nieder gegen die Einführung einer Straßenmaut. Den russischen Behörden gelang es auch mit massiver Repression nicht, den Kampfeswillen tausender FahrerInnen zu brechen. Der Arbeitskampf war die bedeutendste oppositionelle Bewegung, der sich die russische Regierung 2015/16 ausgesetzt sah. Am Ende des fünfmonatigen Arbeitskampfes gründeten sie als gewerkschaftsähnliche Organisation (offen für angestellte FahrerInnen, KleinunternehmerInnen und andere Beschäftigte des Gewerbes) den „Verband der Transportarbeiter Russlands“, OPR. Mit dieser Organisation begannen LKW-FahrerInnen auch andere soziale- und Arbeitskämpfe zu unterstützen, wie protestierende Bauern und Bäuerinnen oder streikende BergarbeiterInnen. Die Aktivitäten wurden mit einer staatlichen Repressionswelle beantwortet.
Momentan befinden sich vier Gründungsmitglieder der kämpferischen Fahrerorganisation auf Deutschlandreise und suchen den Kontakt zu KollegInnen, GewerkschafterInnen und politischen AktivistInnen. Nach ihrer Rückkehr planen sie, in einen erneuten landesweiten Arbeitskampf zu treten.
Termine
Samstag, 18.3. 9.00 Uhr
Offener Austausch beim gemeinsamen Frühstück mit KollegInnen Autohof Lohfeldener Rüssel (bei Kassel)
(Kraftfahrerkreis/verdi)
Samstag, 18.3. 20.00 Uhr
Vortrag: Arbeitskampf und Repression (vor Beginn des Solikonzerts zum Tag des politischen Gefangenen) Alte Meierei Kiel, Hornheimer Weg 2
(Rote Hilfe Kiel/Rosa Luxemburg Stiftung Kiel)
Sonntag, 19.3. 16.00 Uhr
Infoveranstaltung und Diskussion, MPZ, Sternstraße 4, Hamburg
(Jour Fixe Gewerkschaftslinke)
Montag, 20.3. 20.00 Uhr
Infoveranstaltung und Diskussion, Jugendhaus „Buchte“ , Buchtstraße 14/15, Bremen
(AG Internationale Gewerkschafter_innen und Rosa Luxemburg Stiftung Bremen)
Mittwoch, 22.3. 19:00 Uhr
Infoveranstaltung und Diskussion, Bildungswerk der Heinrich Böll Stiftung, Sebastianstr. 21, Berlin
(Böll Stiftung)
Weitere Informationen
Interview mit Olga Reznikova im Streikcamp Chimki
Interview mit Olga Reznikova zur Gründung der OPR
Dossier zum Thema bei LabourNet Germany