ArbeiterInnen der andalusischen SOC berichten über Arbeitskämpfe im „Plastikmeer von Almería“
Im andalusischen Almería wird ein großer Teil des Gemüses, das tagtäglich auf unseren Tellern landet, angebaut. Agrarkonzerne haben hier tausende Hektar riesige Gewächshausplantagen errichtet, um ganz Europa mit billigem Salat, Gurken, Tomaten usw. zu versorgen. Die Arbeit in den Feldern und in der Verpackungsindustrie wird hauptsächlich von Migrantinnen und Migranten aus dem Margeb, dem subsaharischen Afrika, Lateinamerika und osteuropäischen Staaten geleistet. Viele der etwa 120.000 bis 130.000 Beschäftigen haben keinen genehmigten Aufenthaltsstatus. Feste oder gar unbefristete Anstellungsverhältnisse sind die Ausnahme, bezahlter Urlaub unbekannt. Als Arbeitsvertrag dient oftmals ein weißes Blatt Papier. Nur durch gegenseitige Hilfe können sich die Arbeiterinnen und Arbeiter in diesen prekären Zuständen über Wasser halten.
In diesem Umfeld arbeitet die Gewerkschaft SOC-SAT (Sindicato de Obreros del Campo – Sindicato andaluz de trabajadores/as; Gewerkschaft der Landarbeiter – Andalusische Gewerkschaft der Arbeiter/innen). Unter dem Titel „Arbeitskämpfe im Plastikmeer von Almería“ stellten drei Mitglieder der SOC-SAT am 19.04. in Hannover ihr Engagement in Europas größtem zusammenhängenden Gemüseanbaugebiet vor. Die Veranstaltung wurde von der Interventionistischen Linken Hannover, dem Zukunftsforum und der Rosa Luxemburg Stiftung ausgerichtet.
Die Ursprünge der SOC liegen in der Organisierung von TagelöhnerInnen und SaisonarbeiterInnen im agrarischen Andalusien. Nachdem es im Jahr 2000 zu Pogromen in El Ejido gegen MigrantInnen, vor allem aus Marokko, gekommen war, organisierten sich viele der Betroffenen in der SOC. Diese war sich im Gegensatz zu den sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Gewerkschaften nicht dafür zu Schade, Position gegen Rassismus zu beziehen.
2007 wurde dann die SAT ins Leben gerufen. Sie begreift sich als klassenkämpferische, antikapitalistische Gewerkschaft, die großen Wert darauf legt, unabhängig von Parteien und Institutionen zu bleiben. Die Direkte Aktion sowie die Asamblea (Vollversammlung) sind Mittel der Organisierung bzw. der Auseinandersetzung mit den Unternehmen.
Wie erfolgreich ein Arbeitskampf laufen kann, stellten die GenossInnen anhand des Konfliktes mit „biosol“ dar. In diesem Zulieferbetrieb für namhafte österreichische Discounter wurden Arbeiterinnen entlassen, um sie durch günstigere Arbeitskräfte zu ersetzen. Die Betroffenen konnten zusammen mit der SAT erwirken, dass nicht nur die Entlassenen wieder eingestellt wurden oder eine Entschädigung erhielten. Darüber hinaus setzten sie auch eine Begrenzung der Arbeitszeit sowie einen Urlaubsanspruch durch. Dies gelang mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen sowie Druck auf die Geschäftspartner des Konzerns.
Weitere Aktivitäten der SAC haben zum Ziel, die Lebenssituation der migrantischen LandarbeiterInnen konkret zu verbessern. So gibt es Frauengruppen, die sich gemeinsam gegen den „machismo“ zur Wehr setzen, Spanischkurse, die dem Abbau von Sprachbarrieren im Behördenkontext erleichtern und auch aufsuchende Gewerkschaftsarbeit in den Wohnvierteln der Prekarisierten, bei der Wissen über Arbeitsrecht vermittelt wird. Im vergangenen Jahr kam es außerdem zu Enteignungen in Supermärkten. Lebensmittel wurden kostenlos eingekauft und anschließend unter den Menschen verteilt.
Im Anschluss an den Vortrag der drei anwesenden GenossInnen der SAT diskutierten die etwa 40 Gäste, darunter auch einige FAU-GewerkschafterInnen. Herausgestellt wurden noch einmal die unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen in Andalusien im Vergleich zu Deutschland. Während hier viel gegen muslimische Menschen gehetzt wird, steht in Spanien weniger die Religionszugehörigkeit im Mittelpunkt. Der Rassismus richte sich gegen Menschen mit dunklerer Hautfarbe, vor allem Zugewanderte aus Marokko seien von der abwertenden Ungleichbehandlung betroffen.
Auf die Nachfrage, ob und wie denn mit großen Gewerkschaften oder Parteien zusammen gearbeitet würde, antworteten die ReferentInnen, dass die SOC bis 2000 viel mit linken Parteien und den sozialdemokratischen und kommunistischen Gewerkschaften zusammengearbeitet habe. Nachdem aber immer deutlicher wurde, vor allem nach den Pogromen von El Ejido, dass diese ihre Wahlergebnisse und den Wirtschaftsstandort Spanien wichtiger finden als die Solidarität unter den Arbeiterinnen und Arbeitern jeglicher Herkunft, steht die SOC-SAT den Parteien und Funktionärsgewerkschaften ablehnend gegenüber. Stattdessen bildet sie zusammen mit basisdemokratischen Gewerkschaften wie der CNT und der CGT sowie sozialen Bewegungen wie der „15M“ gemeinsame Bündnisse.
Zusammenfassend kann zu dieser sehr interessanten Veranstaltung gesagt werden, dass wir positiv überrascht waren, in den ver.di-Höfen einen Einblick in diese Basisgewerkschaft zu erhalten, unterscheidet diese sich doch sehr vom DGB-Apparat. Antikapitalismus, Antipatriarchat, offene Grenzen und Direkte Aktion sind Themen, die man auch in Deutschland eher bei selbstorganisierten Gewerkschaften wie der FAU findet. In diesem Sinne: Solidarität kennt keine Grenzen!