Veranstaltungsbericht zu professioneller Gewerkschaftsbekämpfung und erfolgreicher Gegenwehr
Am Samstag, den 06. Juni 2015 hatten das Allgemeine Syndikat der FAU Hannover und die Rosa Luxemburg Stiftung Niedersachsen unter dem Titel „Die Fertigmacher: Union Busting in Deutschland“ zur Informationsveranstaltung in den Pavillon eingeladen. Trotz des guten Wetters und des Wochenendtermins kamen zwischen 20 und 30 BesucherInnen. Als ReferentInnen waren Fritz Wilke, Jessica Reisner und Elmar Wigand zu Gast. Während Fritz Wilke von seinen Erfahrungen mit der gezielten Betriebsratsverhinderung beim Paketdienstleister UPS in Hannover-Langenhagen berichtete, beleuchteten Jessica Reisner und Elmar Wigand das Phänomen aus einer historischen und gesellschaftlichen Perspektive und stellten die Arbeit des Vereins aktion ./. arbeitsunrecht vor. Dass es sich um ein Thema handelt, das vielen ArbeitnehmerInnen unter den Nägeln brennt, verdeutlichten auch die zahlreichen Fragen und Diskussionsbeiträge im Anschluss an die Vorträge.
Den Auftakt machte Elmar Wigand. Seit seiner 2014 mit Werner Rügemer bei der Otto-Brenner-Stiftung herausgegebenen Studie „Union-Busting in Deutschland. Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung“ ist er ein Experte auf dem Gebiet der systematischen Erforschung von Gewerkschaftsverhinderung (engl. Union Busting). Unter dem Motto „Union Busting – was ist das eigentlich und warum bemerkt es niemand?“ referierte er über die Ursprünge, Methoden und Strategien, mit denen sich Unternehmen konfliktbereite Betriebsratsmitglieder, selbstbewusste GewerkschafterInnen oder sogenannte „MinderleisterInnen“ vom Hals schaffen wollen. Ein professionelles Netzwerk aus Arbeitgebern, arbeitgeberfreundlichen Kanzleien, Detekteien, Unternehmensberatern und SoziologInnen, die auf „Human Ressources“ und „Labor Relations“ spezialisiert sind, schult diese Strategien und betreibt gewerkschaftsfeindliche Lobby-Arbeit in der BRD. Ziel dieser menschenverachtenden Arbeit sei es nicht nur, die Renitenten in den Betrieben kalt zu stellen oder zu kündigen. Auch die Verunglimpfung von Gewerkschaften in den Medien und in der Öffentlichkeit gehöre zu den häufig unbemerkten Strategien, gewerkschaftliches Engagement gleich im Keim zu ersticken, erklärte Wigand.
Fritz Wilke und seine KollegInnen haben solche Methoden zu spüren bekommen. Bei UPS in Hannover-Langenhagen reichten sie eine eigene Betriebsratsliste ein, um die Bedingungen im Betrieb zu verbessern. Der arbeitgeberfreundliche Betriebsrat war zuvor jahrelang seinen Pflichten nicht nachgekommen – die Interessen der Beschäftigten hatte er wie es scheint nie vertreten. Aktiv wurde er dann doch: Allerdings um die neue Betriebsratsliste Frischer Wind nicht zuzulassen. Vom noch laufenden Prozess vor Gericht gegen die Nicht-Zulassung der Liste, seiner zeitweiligen Kündigung und Rückeroberung seines Arbeitsplatzes und der dennoch nicht klein zu kriegenden Organisierung beim Paketdienstleister berichtete Wilke in einem halbstündigen Vortrag. An seinem Beispiel wurde auch deutlich, wie Unternehmen mit solch kriminellen Methoden die Betroffenen zermürben. Umso mehr beeindruckte das Publikum Wilkes Mut und Entschlossenheit, gegen die Betriebsratsverhinderung und die unzulänglichen Arbeitsbedingungen bei UPS vorzugehen. Alle drei ReferentInnen betonten, dass insbesondere die direkte solidarische Unterstützung durch KollegInnen oder andere Netzwerke den Betroffenen den Rücken stärke und dabei helfe, den nervenaufreibenden Kampf körperlich und psychisch durchzustehen.
Zum Schluss stellte Jessica Reisner die Arbeit des Vereins aktion ./. arbeitsunrecht und den dazugehörigen Blog arbeitsunrecht.de vor. Der Blog sammelt und dokumentiert Materialien zu Union Busting in Deutschland und nennt die Namen der Anwälte oder Arbeitgeber, die in der Berichterstattung der Presse oft ausgespart bleiben. Dass Postfach und Leitungen beim Verein heiß laufen, zeigt, wie hoch die Zahl der Betroffenen ist. Reisner diskutierte auch mögliche Ansätze zur Gegenwehr. Dazu gehören nicht nur wirksame Öffentlichkeitsarbeit und direkte Hilfe und Unterstützung. Auch die Begleitung von Gerichtsprozessen oder Protestkundgebungen vor Schreiner und Partner-Seminaren – einer Kanzlei, die die gewerkschaftsfeindlichen Methoden schult – können dabei helfen, Öffentlichkeit herzustellen. Denn die meisten Unternehmen gingen trotz Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz straffrei aus. Ein erster Schritt, dies zu ändern ist die von Reisner, Wigand und anderen gegründete Initiative.
Im Anschluss an die drei Vorträge diskutierte das Publikum noch über eine Stunde angeregt mit dem Podium. Die Redebeiträge reichten von der Schilderung der individuellen Situation bis hin zu strategischen Fragen der Gegenwehr und Organisierung. Und obwohl das Thema Union Busting wenig Anlass zur Euphorie bietet, konnten die BesucherInnen doch mit einem kämpferischen Schlusswort im Ohr nach Hause gehen. Dafür sorgte noch einmal Fritz Wilke, der mit seinen KollegInnen vormacht, wie Mobbing, Bossing und Willkürmaßnahmen an deutschen Arbeitsplätzen etwas entgegen zu setzen ist.
Ein Interview mit Fritz Wilke zur Auseinandersetzung bei UPS in Hannover-Langenhagen findet sich in der Direkten Aktion 229, Mai/Juni 2015.