Gewerkschaftliche Alternative in stürmischen Zeiten

Foto: Andrea Scharpen

Auch 2018 rief die FAU Hannover zur Beteiligung an der 1. Mai-Demonstration des DGB auf, die dieses Jahr zum ersten Mal vom Küchengarten in Linden startete. Ob mit der Änderung des Auftaktorts gänzlich vermieden werden sollte, durch belebte Wohngegenden zu laufen, um bloß keine Anwohner*innen zu „stören“, bleibt eine offene Frage. Die FAU-Mitglieder trafen sich zum „Warmup“ hingegen am neuen Gewerkschaftslokal, um von dort aus gemeinsam durch den Stadtteil zur Kundgebung zu ziehen. Auf der Demo bildeten sie einen klassenkämpferischen Block und brachten Parolen auf dem sonst eher schweigsamen Marsch. Besonders beliebt waren: „Wohnung scheiße, mieser Lohn? – Komm zur FAU, mach Aktion!“ und „Monatsmitte, Tasche leer? – Arbeitskampf, dann gibt es mehr!“ In Göttingen, wo die FAU Hannover den Aufbau eines eigenständigen Syndikats unterstützt, beteiligten sich die Genoss*innen ebenfalls an den Demonstrationen. Der bierseeligen Volksfeststimmung bei den Mai-Feiern entgegneten sie: „Klassenkampf statt Bratwurstmampf!“

Solidarisch zeigte sich die FAU Hannover, als ein Mitdemonstrant wegen des Zeigens einer YPJ-Fahne von der Demonstration verwiesen wurde. Bei den YPJ handelt es sich um die Fraueneinheiten der kurdischen Selbstverteidigungskräfte in Nordsyrien, die gegen den sogenannten Islamischen Staat kämpfen. Die SPD tat, was sie immer tut, und scherte rechts aus der Demo aus, um der Polizei die Feststellung der Personalien des Betroffenen zu ermöglichen. Auffällig war, dass es wegen der anhaltenden Repression in diesem Jahr keinen sichtbaren kurdischen Block gab.

Am Infostand der FAU Hannover auf dem Trammplatz kam es allerdings zu vielen interessanten Gesprächen mit Besucher*innen des Fests. Alternative Formen der gewerkschaftlichen Organisierung standen dabei im Mittelpunkt und der eine und die andere fühlten sich ermutigt, das Projekt „Kämpferische Basisgewerkschaft“ zu unterstützen. Nicht wenige gingen daraufhin mit einem Mitgliedsantrag und der DA-Sonderausgabe zum 1. Mai in der Tasche nach Hause.

Vor allem das schlechte Wetter – Temperaturen um die zehn Grad und stürmische Böen – sorgte für eine außerordentlich geringe Beteiligung an der Demonstration und am anschließenden Fest auf dem Trammplatz. So leerten sich die Reihen vor den Redner*innen auf der Bühne schnell. Aber auch die Redebeiträge sorgten für Kopfschütteln. Während auf der der Bühne noch internationale Solidarität sowie Presse- und Redefreiheit gefordert wurde, drehte die Staatsmacht völlig frei: Sie ging gegen Personen vor, die „terroristische“ Luftballons mit dem Symbol der YPJ zeigten. Zwei Personen, darunter ein Mitglied der FAU Hannover, wurden kurzfristig verhaftet und bei der Festnahme verletzt.

Diese Diskrepanz zwischen Reden und Realität, die viele Kolleg*innen auch im Betrieb von den Funktionär*innen des DGBs kennen, zeigte sich auch in dem Verhalten gegenüber den Aktionen der Polizei. Obwohl die DGB-Funktionär*innen auf der Bühne in zahlreichen Reden zu mehr Solidarität aufgerufen hatten, verhielten sie sich selbst vollkommen unsolidarisch gegenüber den Verhafteten. Stattdessen versuchen sie sogar, Leute davon abzubringen, Solidarität mit der demokratischen Selbstverwaltung in Rojava zu zeigen. Mehrfach forderten sie dazu auf, die YPJ-Luftballons zu entfernen. Schon bei der Verlesung der Polizei-Auflagen hatten sie angekündigt, solche Symbole nicht zu dulden. Allein ein Redner des Jugendblocks kritisierte die verbale Radikalität und forderte zum Handeln auf. Das Vorgehen der Polizei wollten die Funktionär*innen dann weder kritisieren, noch kommentieren und drehten einfach die Musik lauter, um vom Geschehen abzulenken.

Der Vorfall führte jedoch allen vor Augen, wie notwendig solidarisches Handeln im Alltag ist – egal, ob am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder mit unseren kurdischen Freund*innen, die hier und in Kurdistan für ihre Anerkennung sowie eine demokratische und gleichberechtigte Gesellschaft kämpfen. Mehr denn je benötigen wir in stürmischen Zeiten selbstverwaltete und schlagkräftige Strukturen, um uns gegen Chefs, Vermieter und staatliche Repression zur Wehr zu setzen!