Roller-Verleiher muss zahlen: Minijobber erhält knapp 1200 Euro
Gewerkschaftsmitgliedschaft zahlt sich aus: Nachdem ein Mitglied der FAU Hannover beim E-Scooter-Verleiher TIER Mobility um Lohn und bezahlten Urlaub geprellt worden war, konnte nun durch öffentlichen und juristischen Druck ein außergerichtlicher Vergleich erzielt werden. Nach einem aus Gewerkschaftssicht unzureichenden Angebot des Unternehmens in der Güteverhandlung vorm Arbeitsgericht erweiterte der Minijobber mit Unterstützung der Gewerkschaft und ihres Anwalts die bereits eingereichte Klage. Daraufhin stimmte TIER einem Vergleich doch noch zu und muss jetzt zahlen. Das Mitglied erhält neben dem ausstehenden Gehalt und der Urlaubsabgeltung eine Abfindung in Höhe von 1,5 Monatsgehältern, insgesamt knapp 1200 Euro.
Dies zeigt, dass sich ein langer Atem und eine gewerkschaftlich und juristisch ausgefeilte Strategie auszahlen. Denn die Güteverhandlung am 16. Mai 2023 am Arbeitsgericht Hannover war zunächst nicht zufriedenstellend verlaufen. TIER ließ sich durch die Union Busting-Kanzlei Taylor Wessing vertreten. Union Busting ist die systematische Behinderung von Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit. Der vorsitzende Richter Bödecker drang auf eine Einigung und beschied dem Anliegen des Minijobbers beim ausstehenden Kammertermin geringe Aussichten. Taylor Wessing-Anwalt Johannes Höft bot ihm daraufhin eine Zahlung von etwas mehr als 200 Euro an. Dieses Angebot lehnten das Mitglied und der Anwalt entschieden ab. Bei den im Saal vertretenen FAU-Gewerkschafter*innen löste die geringe Summe Empörung aus. Denn abgesehen vom nicht gezahlten Gehalt und Urlaubsentgelt, hatte die FAU Hannover auch sogenannten Annahmeverzugslohn geltend gemacht. Dem Minijobber war nämlich eine Weiterbeschäftigung versprochen worden, woraufhin er in einem Monat mehr Arbeitsleistung erbracht hatte, als vertraglich vorgesehen.
Eine Weiterbeschäftigung des Mitglieds und damit auch die Zahlung des Annahmeverzugslohns konnte nun zwar nicht erreicht werden. Doch die Auseinandersetzung zeigt, dass selbst in prekären Minijobs den Beschäftigten oft größere Summen vorenthalten werden und Abfindungen durchaus verhandelbar sind. Gegen die Nichtbeachtung geltenden Arbeitsrechts durch Unternehmen lohnt es sich, gemeinsam vorzugehen. Um auf den Konflikt aufmerksam zu machen, hatte die FAU Hannover Ende März vorm TIER-Lager in Hannover-Anderten Flugblätter verteilt und mit Kollegen des Mitglieds gesprochen. Möglicherweise ließ sich TIER auch auf den Vergleich ein, weil das Start-Up befürchtete, dass noch mehr Arbeiter*innen Ansprüche stellen könnten, wenn der Konflikt und die Berichterstattung andauere. Dass FAU-Gewerkschaften durchaus einen langen Atem mitbringen, bewies vor Kurzem etwa die FAU Halle. Nach drei Jahren erwirkte sie ein Urteil vom Landesarbeitsgericht, das ein Unternehmen verdonnerte, einem ehemaligen Beschäftigten 4000 Euro zu zahlen.
Eine zusätzliche Brisanz erhält der Fall, weil TIER laut eigener Auskunft auf seiner Homepage in Hannover nach wie vor Fahrer*innen sucht. Scheinbar will TIER diese aber nicht entfristen, denn sonst hätte es den Minijobber, der die Roller in der Stadt verteilte und einsammelte, ja einfach weiterbeschäftigen können. Kettenbefristungen, geringer Lohn und wenig Urlaub sind typisch für viele der Start Ups – seien es die Verleiher von E-Scootern oder die Essenslieferdienste. Und das ist ein noch größeres Ärgernis als die Roller, die in Grünflächen oder auf Gehwegen rumliegen.
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